Das Totale Kunstwerk
Beuys Anspruch "... jeder ist Künstler ..." weiterführen hin zum Bewusstsein "... jeder ist sein eigenes (Kunst)werk ...",
ein Anspruch, der schon unbewusst im Artikel 4 & 18 der Menschenrechte als Grundrecht verankert ist
Im Wesentlichen sind Kunstwerke materialisierte Ideen eines Fremden - des Künstlers. Sie sind in seiner spezifischen Sprache verfasst, die aus seinem individuellen Entwicklungs- und Erkenntnisprozess entsteht. Nur ein geringer Teil der Werke eines Künstlers kann folglich vom Betrachter nachvollzogen werden. Einfache Werke von beispielsweise Michelangelo sind für die meisten verstehbar, aber mit zunehmender Tiefe und Komplexität des Kunstwerk (z.B. Nitschs OMT) wird sich die Kommunikationsfähigkeit sehr schnell gegen Null bewegen.
Zusätzlich unterwirft sich das Werk seinem Medium. Ob zum Transfer eine Leinwand benutzt oder Stradivaris Geige gespielt wird, Schauspieler choreographiert oder Skulpturen verwendet werden, ist dabei unbedeutend. Jedes Medium ist durch seine Eigenart a priori beschränkt.
Durch die Sinne des Betrachters wird dann zusätzlich noch gefiltert und vom Unterbewusstsein selektiv – wiederum entsprechend des individuellen Entwicklungs- und Erkenntnisstandes – wahrgenommen. Das Konzept des Künstlers wird dadurch mit der persönlichen Geschichte verwoben, etikettiert und einsortiert und dem Bewusstsein erst nach einem langen Manipulationsprozess übergeben. Rezipientenseitige Weltsicht und wunschorientierte Interpretation übernehmen die Regie. Von der ursprünglichen Intention des Künstlers bleiben nur mehr homöopathische Dosen.
Dieser Verfälschungs- und Abschwächungsprozesse waren sich die Aktionskünstler bewusst und versuchten die Betrachter in den Entstehungsprozess eines Werkes mit einzubinden, um so zumindest zu einem kleinen Teil reale Gefühle zu erzeugen. Doch selbst wenn nun die Betrachter Teil des ansonsten nur vorgeführten Theaters wurden, waren es gespielte Gefühle, und diese tragen nie die Kraft der Realität in sich, sondern werden zum Amüsement und die Erinnerung daran verblasst schnell.
Das Projekt des totalen Kunstwerks unseres Künstlerkollektivs geht hier einen anderen Weg. Nicht ein vom fremden Künstler geschaffenes Werk wird betrachtet und über die Sinne von außen zur Gefühls- und Gedankenauslösung aufgenommen, sondern es entsteht direkt und unmittelbar im Rezipienten selbst, in seiner subjektiven Sprache. Somit wird es auch selbst erlebt - ohne beschränkendem Transfermedium jeglicher Art! Unmittelbar und direkt in der individuellsten und persönlichsten aller möglicher Formen!
Der Betrachter wird damit zum temporären Künstler und realen Teil des TEAM[:]niel. Künstler und Kunstwerk werden in sich zusammengeführt.
Wir spielen nicht mehr auf der Bühne eine Emotion vor, die man dann nachempfinden soll, sondern erzeugen diese im neuen TEAM[partner]niel selbst. Wir erzählen nicht mehr von den begehrenswerten Abenteuern anderer, um zum Träumen zu verleiten, sondern lassen die Träume unseres Partners Realität werden, er wird sie selbst durchleben.
Folglich erzählt Kunst nicht mehr von einer möglichen Realität, sie wird zur Realität. Unmittelbar und im Menschen selbst. Dadurch wird der TEAM[partner]niel auf eine neue Ebene gehoben. Er ist nicht mehr passiver Betrachter, sondern aktiver Erleber!
Ein gewaltiger Schritt, dem jedoch eine mächtige Entscheidung vorangestellt ist: bereit zu sein, sich selbst zu begegnen, sich selbst Kunstwerk zu sein und so auch den zentralsten aller Ansprüche des Menschseins zu erfüllen: Das eigene Kunstwerk sein.
In diesem Prozess werden wir nun zu Künstlerkollegen, die mit ihrer Erfahrung helfen, nicht nur den unmittelbaren Zugang ins Innere zu finden, sondern auch die Reise entsprechend zu zelebrieren und Erlebtes zu dokumentieren. Als direktester Weg hat sich dazu die Überwindung der stärksten Mauer, des Tabu, erwiesen. Es hält nicht nur das unbewusst Unterdrückte massiv in Geiselhaft, sondern ist gleich Prüfstein, ob die Kraft zur überwindung reicht, die in Folge Voraussetzung ist, das Erlebte zu verarbeiten. Denn die Wucht ist enorm, die diese Direktheit hervorbringt.
Denn erst im Hinausgehen über das persönliche Tabu liegt die Erkenntnis über das fremdbestimmte ICH und in dessen überwindung das Finden seines, von der Natur angelegten, SELBST. Und in dieser Wahrnehmung seiner ureigenen Anlagen berührt er das, was er ist, sein SEIN und nicht das, was er – nach anderer Vorstellung – sein soll.
Denn SEIN ist jener maximal erreichbare klare Zustand, der entsteht, wenn man ganz seinen Anlagen entsprechend erlebt, lebt und dabei – ohne dass da noch etwas wäre, das beobachtet – ganz das ist, was gerade ist. Nur mehr Kunstwerk, das Kunstwerk selbst. Das totale Kunstwerk!